„Make That Change“

Buchrezenson zu „Make That Change. Michael Jackson: Botschaft und Schicksal eines spirituellen Revolutionärs“ von Sophia Pade und Armin Risi | Die Rezension erschien erstmals im Musik-Apotheke-Blog 2019

       zum Buch beim Govinda-Verlag

So ungewöhnlich Michael Jackson als Mensch und Künstler war, so ungewöhnlich muss auch eine Rezension über ein Buch ausfallen, das das Leben dieses Mannes zum Inhalt hat. Es ist unmöglich, all das wiederzugeben, was so detailliert, ausführlich und differenziert in „Make That Change“ ausgeführt ist, zumal das Buch 648 Seiten plus 50 Seiten Anhang umfasst. Für mich ist es ohnehin ausgeschlossen, objektiv zu bleiben angesichts der Verleumdungen, des Rufmords und der öffentlichen Kreuzigung dieses Mannes, der sich im Prinzip nur einer einzigen Sache schuldig gemacht hat: der Liebe.
Diese Liebe möchte ich mit dieser Rezension erwidern, nicht nur Michael Jackson gegenüber, sondern und vor allem meiner Menschheitsfamilie gegenüber.

Michael Jackson, anfangs ein Kinderstar, avancierte mehr oder weniger im Handumdrehen zum Super-, nein zum Megastar. Das verdankte er nicht allein seinem Charisma und seiner schier unerschöpflichen Energie, was all die Menschen, die ihm persönlich begegnen durften, immer wieder bezeugen, sondern vor allem seiner Disziplin, seiner inneren unerschütterlichen Ausrichtung und seinem hohen, fast übermenschlichen Grad an künstlerischer Genialität. Er war fest verankert in dem „Strom der Inspiration“, besaß eine direkte Anbindung daran und ging einen „geraden“ Weg, der ihn niemals davon zu trennen vermochte, zumal MJ stets betonte, er habe eine Gabe von Gott erhalten und es sei seine Pflicht, sie mit der Menschheit zu teilen und Gutes zu tun.

Wie ernst er dies nahm, kann jeder selbst herausfinden, indem er Michaels Songtexte liest, seinen Reden und Ansprachen lauscht und sich die Fakten ansieht, etwa die horrenden Spendensummen, an die sonst kein Star bis heute anknüpfen kann (und wovon kaum jemand weiß, weil die Presse auch post mortem nicht oder nur sehr spärlich darüber berichtet; zu Lebzeiten spendete er 300 Millionen US-Dollar, wobei die wahre Summe deutlich höher sein dürfte). Wohin er auch ging, wohin er auch reiste, überall besuchte er diejenigen, die schwach, krank oder wirtschaftlich und gesellschaftlich abgehängt worden waren und kümmerte sich um ihre Belange, und das abseits des Medienrummels und damit ohne den Gedanken an eigenen Profit. All seine Freunde, Bekannten und Angestellten heben immer wieder die Sanftmut, Integrität, Bedachtsamkeit, Fürsorge und die hohen Ideale hervor, die MJs Charakter prägten und seine Handlungen bestimmten (er sprach nicht nur darüber, er handelte auch danach). Vor allem fällt auf, dass er selbst diejenigen, die ihm übel mitspielten, bis zu einem gewissen Moment in Schutz nahm bzw. kein schlechtes Wort über sie verlor, und das, obwohl er als „King of Pop“ Chancen genug gehabt hätte, um Rache zu üben (eine Ausnahme bildeten seine Demonstrationen gegen Sony, die allerdings absolut verständlich sind und m. E. notwendig waren).

Er verstand sich allzeit als Künstler, und wenn er gefragt wurde, so wie etwa von Oprah Winfrey in dem berühmten Interview von 1993, wie wir ihn im Gedächtnis behalten sollten, so antwortete er genau das: als großen Künstler. Gleichzeitig stellte er in vielen Interviews sein Unverständnis der Presse gegenüber heraus, war es ihm doch unbegreiflich, wie jemand, der das Privileg erhielt, einen Mann wie ihn zu befragen, derart banale, beleidigende und dümmliche Fragen stellen konnte (ganz abgesehen von den vielen infamen Lügen). Auch ich begreife es nicht, denn käme ich jemals in die Situation, einem solchen Menschen gegenüberzustehen, wäre wohl alles, was mich interessiert, die Kunst, die Kreativität, die Inspiration und sein Verhältnis dazu (s. Oprah-Interview).

Wir alle kennen die Vorwürfe, die sich Michael Jackson ausgesetzt sah und die auch heute noch kursieren und immer weiter angeheizt werden (inzwischen weigern sich Radiosender schon, seine Songs zu spielen, während sie andere, echte Pädophile ohne Bedenken ganze Reden halten lassen). Ich werde die Vorwürfe deshalb nicht benennen, wird mir ohnehin davon übel. Ich kann nur sagen, dass ich von seiner Unschuld überzeugt bin, den Gerichtsurteilen vertraue (unschuldig in allen Punkten) und dass alle Fakten auf eine absichtliche und systematische Demontage des Superstars hindeuten (zu den Gerichtsverfahren sei ergänzt, dass er nicht wegen mangelnder Beweise freigesprochen wurde, wie es die Medien heute noch verbreiten, sondern weil sich herausstellte, dass die Zeugen nachweislich logen und die Beweise gefälscht waren). Ich möchte an Kant erinnern: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, und bitte wie stets darum, kein Urteil nur aufgrund irgendwelcher Schlagzeilen zu fällen, sondern selbst zu recherchieren resp. das Buch zu lesen.

Im Klappentext schreiben die Autoren, was im Leben des King of Pop geschah, sei ein entlarvender Spiegel unserer Zeit, und ich möchte dem zustimmen. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass alles, was wir zu hören und zu sehen bekommen und was als absolute Wahrheit hingestellt wird, die wir unbedingt zu glauben haben – vor allem, wenn es hoch emotional und moralisch eingefärbt daherkommt und überall auf der Welt O-Ton wiederholt wird -, spiegelverkehrt dargestellt wird.
Was nur oft genug wiederholt wird, wird irgendwann als Tatsache akzeptiert, das wusste schon Goebbels. Mehr noch: Es verhindert, dass wir genauer hinsehen und das Gehörte in Frage stellen, könnten wir uns doch eines moralischen Fehltritts schuldig machen und von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. (Ein ums andere Mal verweise ich an dieser Stelle auf das Framing und meinen Artikel „Die Magie des Wortes“.)

So ist es auch heute mit Michael Jackson. Wer traut sich noch, offen seine Musik zu hören und zu sagen, er sei ein Fan?

Der Spiegel unserer Zeit zeigt sich aber auch an weiteren Stellen. „Make That Change“ zehrt besonders an den Nerven, schlägt aufs Gemüt und macht tieftraurig, zeigt es doch so detailliert auf, wie ein hochsensibler Mensch (wäre er nicht hochsensibel gewesen, hätte er keine solche Musik machen können), der für Frieden, Respekt, Liebe und Gleichberechtigung eintrat, systematisch und eiskalt vernichtet wurde. Michael Jacksons Leben gleicht einer öffentlichen Kreuzigung: Alles, was der Norm widerspricht oder ihr gar in die Quere kommt, wie eben MJ mit seinem Wesen und seinem Engagement, wird auf dieser Welt zerrieben und zerstört.
Diese Erkenntnis ist bitter, gleichzeitig gewinnt man viel aus ihr. Denn wenn Michael Jacksons Martyrium nicht umsonst gewesen sein soll, müssen wir uns heute fragen: Was können wir unternehmen, um diesem „Spiel“, das sich längst verselbstständigt zu haben scheint, zu entkommen und es durch ein schöneres, wahreres und besseres zu ersetzen? Diese Frage behielt ich beim Lesen ständig im Hinterkopf (ansonsten wäre ich wohl verzweifelt).

Während der Lektüre entwickelte ich deshalb ein Verständnis für einige der Menschen in MJs Umfeld, die der Versuchung, durch ihn an Macht, Geld, Ruhm, usw. heranzukommen, nicht widerstehen konnten und ihrem Arbeitgeber, Idol, Freund und Bruder in den Rücken fielen (ich rechtfertige ihre Taten nicht, ich verstehe sie nur). Man muss sich vergegenwärtigen, worum es hier geht: Da war ein Superstar, Milliarden von Dollar schwer, der nicht einmal den kleinen Finger heben konnte, ohne dass diese Geste von Millionen von Menschen weltweit gesehen wurde. Darüber hinaus war er nicht irgendein „kalter Fisch“, sondern er verfügte über ein zartes, feinfühliges Wesen und über ein Charisma, das selbst andere Größen beeindruckte, wie etwa Uri Geller, Elizabeth Taylor oder Barry Gibb von den Bee Gees, um nur drei von sehr vielen zu nennen. Wenn Michael Jackson rief, wie es auch in dem Buch „Make That Change“ heißt und durch Quellen belegt wird, kamen die namhaftesten und größten Künstler zusammen, um diesem Ruf zu folgen.
Man stelle sich nun vor, so ein Mann träte in unser Leben, schenkte uns seine Aufmerksamkeit und verschwände, aus welchen Gründen auch immer, wieder daraus. Was würde das mit uns machen? Was hat es mit jenen gemacht, denen es passiert ist?
Von einigen wissen wir es. Sie konnten nicht damit umgehen, und als ihnen entsprechende Avancen gemacht wurden, oft über Jahre, ja Jahrzehnte hinweg, schlugen sie zu. Ihre Zuneigung verkehrte sich in ihr Gegenteil. Sie zogen gegen MJ vor Gericht und/oder gaben gegen Bezahlung Interviews und logen darin. (Natürlich gab es auch noch andere Motivationen wie Rassismus, Neid, Sensationsgeilheit, Erpressung oder schlichtweg Geldgier.)

Nun, was würde das mit uns machen?

Des Pudels Kern darin zu finden ist nicht schwer. Wir können dieses Verhalten täglich beobachten, es passiert nämlich dauernd. Dasselbe Phänomen geht beispielsweise in dem Moment vonstatten, in dem schlecht über einen Menschen gesprochen wird, der nicht anwesend ist und der sich somit nicht verteidigen kann. Oder was machen Sie im Straßenverkehr, wenn sich jemand nicht so verhält, wie Sie das möchten? Was rufen Sie ihm zu? Haben Sie einen Nachbarn, der so anders ist als all die anderen und den Sie deshalb mit Argwohn bedenken? Gibt es einen Arbeitskollegen, der nicht dieselbe Befähigung hat wie Sie und den Sie deshalb ausrichten, statt seine individuelle Begabung herauszuschälen und zu unterstützen? Fördern Sie Ihre Kinder, oder erziehen Sie sie zu dem, was die Gesellschaft fordert und was womöglich in Ihren Augen richtig(er) ist? Was passiert mit Ihnen, wenn Sie in den Nachrichten lesen, irgendein Prominenter oder Politiker sei in irgendeiner Weise gescheitert oder gar bankrott? Empfinden Sie Genugtuung? Was geschieht, wenn Sie hören, ein Bekannter sei jäh zu Reichtum gekommen? Klopft da nicht der Neid an? Helfen Sie einer alten Frau auf die Beine, die gestürzt ist? Helfen Sie auch einem jungen Mann auf die Beine, der in Lumpen gehüllt ist, stinkt und schlechte Zähne hat? – Fragen dieser Art ließen sich endlos weiterführen …

Was sich bei Michael Jackson in großem Rahmen und vor der Weltöffentlichkeit abspielte, finden wir in unserem Alltag auf „kleiner Bühne“ und in kleinem Rahmen wieder. Es ist enorm verführerisch, die eigene innere Unausgeglichenheit gegen einen anderen zu richten. Es geht so schnell – und schon hat man etwas Vernichtendes gedacht, gesagt oder getan.

Noch einmal: Es war unsäglich traurig, dieses Buch zu lesen. Es hat mich viel Kraft und Entschlossenheit gekostet, es nicht wegzulegen und mich Vergnüglicherem zu widmen. Aber es ist wichtig, nicht wegzusehen – es ist wichtig, dass wir jetzt hinsehen! Bei seinem Auftritt beim Super Bowl 1993 sagte es Michael: „This time, we must succeed.“
Man darf darüber nur nicht verzweifeln. Mein Motto lautet: Hinsehen, das Muster bei sich selbst erkennen, sich davon freimachen und sich ab- und dem zuwenden, was Michael Jackson so sehr am Herzen lag und was wir schon in Jesu Botschaften und in allen Religionen der Welt finden: Heal the world / Make it a better place / For you and for me (aus Michael Jacksons Song „Heal the World“).

Ich möchte mit einigen Links schließen, die Sie zu einer sehr besonderen Rede, zu einigen Songs und zu einem Auftritt von Michael führen, die ich durch das Buch „Make That Change“ in neuem Licht sehe und die in meinen Augen sehr deutlich hervorheben, worum es dem Superstar ging, welch großartiger Mensch er war und was er uns hinterlassen hat. Es lohnt sich, die Songtexte zu lesen!

Behalten wir ihn als großen Künstler mit reinem, hellem Herzen im Gedächtnis!

Mein herzlicher Dank an Sophia Pade und Armin Risi für dieses sehr wichtige und besondere Buch, das einen umfassenden Einblick in Michael Jacksons (wahres) Leben gibt.

Zum Buch beim Govinda-Verlag

© Melanie Risi-Meier